Gesundheit heute

Innenohrschwerhörigkeit, Gehörlosigkeit und Taubheit

Innenohrschwerhörigkeit (Schallempfindungsschwerhörigkeit, cochleäre Schwerhörigkeit): Schwerhörigkeit durch gestörte Schallempfindung. Die Ursachen für eine Innenohrschwerhörigkeit sind vielfach ungeklärt, z. B. bei der weit verbreiteten Altersschwerhörigkeit. Für einige Formen der Innenohrschwerhörigkeit gibt es jedoch bekannte Ursachen, allerdings ist deren exakte Zuordnung für den Arzt nicht immer einfach. Davon abzugrenzen ist die Schallleitungsschwerhörigkeit (Mittelohrschwerhörigkeit) durch gestörte Schallleitung im äußeren Ohr oder Mittelohr.

Gehörlosigkeit (hochgradige Schwerhörigkeit, hochgradige Hörschädigung): Weitgehender Verlust des Gehörs. Obwohl 97 % der Gehörlosen noch über Restwahrnehmungen verfügen, die mit einem Hörgerät verstärkt werden können, spricht man von Gehörlosigkeit.

Taubheit: Vollständiger Verlust des Gehörs, keinerlei akustische Wahrnehmung mehr.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Allmählicher oder rascher Gehörverlust bzw. Fehlen des Gehörs
  • Säuglinge reagieren mit 3–6 Monaten nicht auf die Stimme der Mutter, später ist die Sprachentwicklung verzögert.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen,

  • wenn sich ein Gehörverlust einstellt.
  • Säuglinge nicht auf starke Geräusche oder die Stimme der Mutter reagieren.

Die Erkrankung

Ursachen und Risikofaktoren

Hinter dem HNO-ärztlichen Leitbefund "Innenohrschwerhörigkeit" stecken verschiedene Erkrankungen:

  • Die chronische Lärmschwerhörigkeit gehört zu den häufigsten Formen beidseitiger Innenohrschwerhörigkeit. Auslöser ist eine langfristige Lärmbelastung, z. B. am Arbeitsplatz, aber zunehmend auch bei jüngeren Menschen durch laute Musik (Kopfhörer oder Disco). Entscheidend für das Auftreten einer Lärmschwerhörigkeit sind Lautstärke, Tonfrequenz (hohe Töne sind schädlicher als tiefe), Dauer der Lärmbelastung und persönliche Lärmempfindlichkeit. Zur Vorbeugung ist konsequenter Lärmschutz unerlässlich.
  • Ursachen für eine traumatische Innenohrschwerhörigkeit sind plötzlich eintretende direkte oder indirekte Verletzungen. Zu den direkten Verletzungen gehört z. B. ein Bruch des Felsenbeins, bei dem auch das darin gelegene Innenohr beschädigt werden kann. Zu indirekten Verletzungen des Innenohrs kommt es z. B. beim Knalltrauma, das bei einer Explosion oder durch eine andere kurze Schalldruckwelle ausgelöst wird, oder beim Barotrauma, das beim Tauchen oder Fliegen durch erheblichen Unterdruck im Mittelohr zu Schäden am Innenohr führt.
  • Bei etwa einem von tausend Neugeborenen ist eine vererbte Form von Schwerhörigkeit bereits bei der Geburt vorhanden (z. B. Usher-Syndrom). Weitere Formen der angeborenen Innenohrschwerhörigkeit entwickeln sich erst in den ersten Lebensjahren. Manche kindlichen Innenohrschäden werden aber auch während der Schwangerschaft (z. B. Alkoholmissbrauch oder Rötelnerkrankung der Mutter), während der Geburt (z. B. Zangengeburt) oder nach der Geburt (z. B. schwere Mittelohrentzündung) erworben (frühkindlich erworbene Innenohrschwerhörigkeit).
  • Ursachen für eine entzündlich bedingte Innenohrschwerhörigkeit (Labyrinthitis) sind Infektionen und andere entzündliche Prozesse des Innenohrs oder seiner Umgebung. Sie treten auf, wenn Erreger über die Blutbahn zum Innenohr gelangen, z. B. als Folge von Borreliose, Mumps oder Masern. Auch eine akute oder chronische Mittelohrentzündung kann das Innenohr schädigen.
  • Einige Arzneimittel haben bei hoher Dosierung und Langzeitgebrauch ohrschädigende (ototoxische) Nebenwirkungen und beeinträchtigen damit die Innenohrfunktionen (toxisch bedingte Innenohrschwerhörigkeit). So zerstören Aminoglykosid-Antibiotika, wie Gentamicin und Streptomycin die Sinneszellen des Hör- und Gleichgewichtsorgans. Dieser Effekt wird bei der Behandlung der Menière-Krankheit sogar therapeutisch genutzt. Auch gewerbliche Gifte (z. B. Nitrobenzolverbindungen in Lösungsmitteln oder Schwermetallen) sowie Sucht- und Genussmittel (z. B. Alkohol oder Heroin) sind schädlich für das Innenohr.
  • Wenn sich die einseitige Schwerhörigkeit langsam verschlechtert und ein Tinnitus auftritt, liegt der Verdacht auf ein Akustikusneurinom nahe. Es handelt sich um einen gutartigen Tumor des Gehör- und Gleichgewichtsnervs. Im weiteren Verlauf finden sich unspezifischer Schwindel, Gangunsicherheit, Gesichtsschmerzen und eine einseitige Gesichtslähmung.

Einteilung in Grade

  • Geringgradig: normal laute Sprache wird aus einer Entfernung von mehr als 4 m noch verstanden; Hörverlust: 10–40 % (entspricht 20 dB)
  • Mittelgradig: normal laute Sprache wird aus einer Entfernung von 1–4 m verstanden; Hörverlust: 40–60 % (entspricht 40 dB)
  • Hochgradig: normal laute Sprache wird nur noch aus einer Entfernung von 0,25–1 m verstanden; Hörverlust: 60–80 % (entspricht 60 dB)
  • An Taubheit grenzend: normal laute Sprache wird nur noch aus einer Entfernung von weniger als 25 cm verstanden; Hörverlust: 80–95 % (entspricht 80 dB).

Diagnosesicherung

Diagnose angeborener oder frühkindlich erworbener Formen

Leider erkennt man eine von Geburt an vorliegende Innenohrschwerhörigkeit häufig erst bei Kindern mit etwa zwei Jahren, nämlich dann, wenn die Sprachentwicklung aus- oder zurückbleibt.

Die Grundlagen für den Spracherwerb werden jedoch bereits in den ersten zwölf Monaten gelegt, wenn sich die Nervenbahnen im Gehirn ausbilden – daher ist eine frühe Erkennung wichtig. Mit objektiven Messverfahren wie otoakustischen Emissionen oder der Hirnstammaudiometrie können Ärzte schon Neugeborene auf Schwerhörigkeit untersuchen, da sie auch ohne Mitarbeit des Kindes funktionieren. Die Kosten des Hörscreenings von Neugeborenen übernehmen die Krankenkassen.

Diagnose der Schwerhörigkeit bei Erwachsenen

Bei erwachsenen Patienten stellt der HNO-Arzt das Ausmaß der Schwerhörigkeit mit Hilfe von Hörtests (Tonaudiogramm und Sprachaudiogramm) fest.

Behandlung

In den meisten Fällen ist noch ein Resthörvermögen vorhanden, das mit Hörhilfen (siehe unter Altersschwerhörigkeit) verstärkt werden kann. Bei vollständig Ertaubten kommt der Einsatz eines Cochlea-Implantats infrage, um dem Betroffenen wieder bzw. erstmals eine auditive Wahrnehmung zu ermöglichen.

Cochlea-Implantat

Das Cochlea-Implantat (CI-System) kann sogar Tauben eine auditive Wahrnehmung ermöglicht, sofern ihr Hörnerv funktioniert. Es umgeht das geschädigte Innenohr und leitet die Höreindrücke als elektrische Impulse direkt an den Hörnerv weiter.

Aufbau und Prinzip. Das CI-System besteht aus einem inneren und einem äußeren Teil.

  • Während einer Operation unter Vollnarkose implantiert der Arzt eine Empfangsspule und einen Magneten in eine ausgefräste Mulde im Schädelknochen und führt von dort aus Elektroden in die Gehörschnecke ein.
  • Der äußere Teil besteht aus einem Mikrofon, einem Signalprozessor, der die Sprache in elektrische Impulse umwandelt und einer Sendespule. Er wird bei modernen Cochlea-Implantaten wie ein normales Hörgerät hinter dem Ohr getragen und durch den Magneten gehalten. Manche Cochlea-Implantate verfügen über ein separates Gehäuse für den Signalprozessor, das am Gürtel getragen wird.

Erfolgschancen. Die mit einem Cochlea-Implantat übermittelten Höreindrücke unterscheiden sich stark von den Sinneseindrücken eines normal Hörenden. In Rehabilitationszentren wird deshalb geübt Geräusche und Sprache wiederzuerkennen. Nach einigen Monaten Training gelingt das meist so weit, dass Sprache wieder verstanden wird. Manche Patienten erhalten nur auf einer Seite ein Implantat, manche auch beidseits. Mit zwei Implantaten gelingt das Sprachverständnis in unruhigen Situationen und das Richtungshören in der Regel besser. Der Erfolg hängt auch von der Ertaubungsdauer, der Sprachkompetenz, dem Zustand der Hörnerven und von der Motivation zum Trainieren und Erlernen der ungewohnten Höreindrücke, bzw. für Sprachlaute überhaupt, ab. Besonders erfolgreich verläuft die Behandlung daher bei Erwachsenen, die erst kürzlich ertaubt sind und zeitnah mit Cochlea-Implantaten versorgt werden. Gehörlos geborene Erwachsene profitieren kaum von einer Implantatversorgung.

Versorgung von Kleinkindern. Dass taube Kleinkinder mit Cochlea-Implantaten versorgt werden sollen, wird von ebenfalls gehörlosen Eltern häufig angezweifelt. Der Erfolg ist am größten, wenn sie in den ersten zwei Lebensjahren implantiert werden. Aus medizinischer Sicht ist dies das Beste. Sind die Eltern selbst gehörlos, fürchten sie oft, dass die Gebärdensprache und ihre eigene Gehörlosenkultur durch die Konzentration auf die Lautsprache an den Rand gedrängt werden. Als Kompromiss wachsen diese Kinder oft "bilingual" auf, d. h. sie erlernen zuerst die Gebärdensprache und später die Lautsprache. Entsprechend erhalten sie auch erst später Cochlea-Implantate.

Komplikationen bei Cochlea-Implantaten. Träger von Cochlea-Implantaten sind besonders gefährdet, an einer Mittelohrentzündung zu erkranken, aus der sich eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung entwickeln kann. Um dieser vorzubeugen, empfiehlt die STIKO (Ständige Impfkommission) Cochlea-Implantat-Trägern Impfungen gegen die häufigsten Erreger der Mittelohr- und Hirnhautentzündung, also Haemophilus influenzae Typ B, Streptokokken, Pneumokokken sowie Meningokokken.

Weiterführende Informationen

  • www.schwerhoerigen-netz.de – Deutscher Schwerhörigenbund e. V., Berlin: Enthält einen guten und sehr ausführlichen Ratgeber (auch als CD bestellbar) sowie Adressen von Selbsthilfegruppen in ganz Deutschland.
  • www.dcig.de – Deutsche Cochlea Implant Gesellschaft e. V., Illertissen: Mit Adressen von Selbsthilfegruppen und spezialisierten Kliniken. Weitere Informationen zur Verbandszeitschrift "Schnecke" finden sich unter www.schnecke-ci.de.
  • O. Fritsche; K. Kestner: Diagnose hörgeschädigt. Was Eltern hörgeschädigter Kinder wissen sollten. Karin Kestner Verlag, 2006. Empfohlen vom Bundesverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen.
  • G. Batliner: Hörgeschädigte Kinder spielerisch fördern: Ein Elternbuch zum frühen Hör- und Spracherwerb. Ernst Reinhardt Verlag, 2016 aktualisiert.

Von: Prof. Dr. med. Gerhard Grevers; Dr. Ute Koch; Thilo Machotta; Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen "Wann zum Arzt", "Diagnosesicherung", "Behandlung" und "Weiterführende Informationen": Dr. med. Sonja Kempinski
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Putzen gefährdet die Lunge

Beim Putzen gelangen aus den Reinigungsmitteln gefährliche Partikel in die Luft.

Putzen gefährdet die Lunge

Vor allem Reinigungskräfte betroffen

Zu viel Putzen kann gefährlich werden: Die Chemikalien, die dabei in die Luft gelangen, schaden der Lunge und erhöhen dadurch das Risiko für Asthma und COPD.

Partikel gelangen tief in die Lunge

Luftverschmutzung in Innenräumen wird immer mehr zum Thema. Sie entsteht nicht nur durch zu eifriges Putzen mit „normalen“ aggressiven Reinigungsmitteln. Seit der Pandemie wird auch mehr und mehr desinfiziert. Doch durch das Putzen und das Desinfizieren gelangen Chemikalien wie starke Säuren und Basen, Lösungsmittel und Formaldehyd in die Luft und werden eingeatmet.

Je kleiner die Teilchen sind, desto größer ist das Risiko, dass sie mit der Luft bis tief in die Lunge vordringen. Besonders gefährlich sind sogenannte ultrafeine Partikel unter 100 Nanometern. Eine französische Studie konnte zeigen, dass Reinigungsprodukte die Innenraumluft damit sogar noch stärker belasten, als es durch Passivrauchen oder Heizen geschieht.

Nachwuchs ebenfalls gefährdet

Die Auswirkungen sind Untersuchungen zufolge massiv: In Frankreich hatten professionelle Reinigungskräfte ein doppelt so hohes Risiko für die Entwicklung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) wie die Allgemeinbevölkerung. In einer US-amerikanischen Studie wiederum stieg das Asthmarisiko bei Reinigungskräften um 50 % an.

Auch werdende Mütter sind betroffen. Waren sie kurz vor der Empfängnis oder während der Schwangerschaft vermehrt Reinigungsprodukten ausgesetzt, hatten ihre Kinder später ein höheres Risiko, Asthma zu bekommen.

Mehr Schutz gefordert

Expert*innen fordern, dass die Hersteller der Reinigungsprodukte deren Inhaltsstoffe vollständig auflisten müssen – bisher ist dies nur bei Konzentrationen > 1 % der Fall. Die gefährlichsten Inhaltsstoffe sollten zudem eliminiert werden. Außerdem müssten Referenzwerte gefunden werden, unter denen keine Gefahr ausgeht - weder für die Reinigungskräfte selbst noch für passiv Exponierte, darunter insbesondere Kinder.

Auch zuhause aufpassen

Ob in öffentlichen Gebäuden oder zuhause: Prinzipiell sollten Reinigungsmittel nur sparsam nach Vorschrift angewendet werden. Gut lüften beim Putzen hilft, dass sich schädliche Partikel nicht in den Innenräumen konzentrieren. Wichtig ist auch, Putzmittel nicht zu mischen. Denn dadurch können Gase entstehen, die die Lunge ebenfalls reizen.

Quelle: Springer Medizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Antonio Gravante