Gesundheit heute
Trigeminusneuralgie
Trigeminusneuralgie: (Gesichtsneuralgie): Besondere Form von Nervenschmerzen, die anfallsartig und meist einseitig im Gesicht auftreten. Die Patient*innen leiden an fast unerträglich starken Schmerzattacken, die blitzartig stechend im betroffenen Gesichtsbereich einschießen. Sie halten nur wenige Sekunden bis maximal 2 Minuten an, können aber bis 100-mal am Tag auftreten und auch von einem Dauerschmerz begleitet sein. Die Erkrankung ist selten und betrifft weniger als 0,1 % der Bevölkerung. Sie kann in jedem Lebensalter auftreten, kommt jedoch meist bei Über-50-Jährigen vor. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Behandelt wird vor allem mit Medikamenten, in bestimmten Fällen auch mit einer Operation. Bei frühzeitiger Therapie gehen die Schmerzattacken nach einigen Wochen oder Monaten zurück. Ein Drittel der Patient*innen erlebt nur eine einmalige Schmerzepisode im Leben.
Symptome und Leitbeschwerden
- Blitzartig einschießende, kurzzeitige, extrem starke, stechende Schmerzen im Augen-, Wangen- oder Mundbereich einer Gesichtshälfte
- Möglicherweise Verkrampfung der Gesichtsmuskeln in der betroffenen Gesichtshälfte während der Schmerzattacke
- Möglicherweise vorübergehende Bindehautrötung, Tränenfluss oder Nasenausfluss während und nach den Schmerzen
- Eventuell dumpfer Dauerschmerz zwischen den Attacken.
Wann in die Arztpraxis
In den nächsten Tagen, wenn mehrmals hintereinander Schmerzattacken im Gesicht auftreten.
Die Erkrankung
Der Trigeminusnerv (Nervus trigeminus) ist ein Gehirnnerv, der in 3 Anteilen zum Gesicht zieht. Er ist für die Empfindungen in diesen Bereichen zuständig:
- der Gesichtshaut
- der Schleimhäute von Mund, Rachen, Zunge und Nase
- der Nebenhöhlen.
- Außerdem steuert er die Kau- und Zungenmuskulatur sowie das Trommelfell.
Krankheitsentstehung
Ursächlich für die Trigeminusneuralgie ist meist ein zu enger Kontakt zwischen dem Trigeminusnerv und einem Blutgefäß nah am Gehirn. Dabei drückt das Blutgefäß auf den Nerven, sodass unterschiedliche Fasern des Nerven plötzlich miteinander in Kontakt kommen. Dadurch werden Nervenimpulse zwischen den Nervenfasern übertragen und spontane Signale ausgesendet, die zu den plötzlichen Schmerzattacken führen. Neben dieserklassischen Trigeminusneuralgie gibt es noch 2 weitere Formen.
Bei der symptomatischen (oder sekundären) Trigeminusneuralgie steckt eine Grunderkrankung hinter der Nervenreizung, etwa eine Multiple Sklerose oder ein Tumor. Oft sind die Beschwerden dann untypischer, z. B. dauert der Schmerz länger oder es sind beide Gesichtshälften betroffen. Zusätzlich können weitere Auffälligkeiten wie eine verminderte Berührungsempfindung im Schmerzbereich bestehen.
Findet man keinerlei Auslöser, also weder einen Nerven-Blutgefäß-Kontakt noch eine Grunderkrankung, die den Nerven reizt, spricht man von idiopathischer Trigeminusneuralgie. Idiopathisch bedeutet „ohne erkennbare Ursache“. Hinter dieser Form wird eine Veränderung im Bereich der Signalübertragungsstellen der Nervenfasern vermutet. Bewiesen ist dies aber nicht.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Schmerzattacken können spontan – also ganz ohne Auslöser – auftreten. Meist werden sie aber durch bestimmte äußere Reize hervorgerufen, z. B. durch Zähneputzen, Kauen, Schlucken, Sprechen oder Berührungen wie beim Rasieren oder Waschen des Gesichts.
Klinik, Verlauf und Komplikationen
Typisch für die Trigeminusneuralgie sind blitzartig einschießende Schmerzattacken rund um Augen, Wangen oder Mund einer Gesichtshälfte.
Die Schmerzen werden von den Betroffenen als stechend oder scharf, extrem stark und als kaum auszuhalten beschrieben – vergleichbar mit einem Stromstoß oder Elektroschock.
Die einzelnen Schmerzattacken dauern nur Sekunden bis maximal 2 Minuten. Die Attacken können aber bis zu 100-mal am Tag auftreten.
Die starke Schmerzintensität löst oft gleichzeitig eine Verkrampfung der Gesichtsmuskeln auf der betroffenen Seite aus.
Begleitend kommt es bei einigen Betroffenen zu vorübergehender Bindehautrötung, Tränenfluss oder Nasenausfluss während und nach der Schmerzattacke.
Zwischen den einzelnen Schmerzattacken sind die meisten Patient*innen vollkommen schmerzfrei, teilweise wird aber auch ein dumpfer Dauerschmerz im betroffenen Gesichtsbereich beschrieben. Dieser kann von Beginn der Erkrankung bestehen oder erst im späteren Erkrankungsverlauf hinzukommen.
Die Häufigkeit der Schmerzattacken variiert. Sie können für Wochen oder Monate täglich auftreten oder für Jahre ganz verschwinden. Manche Patient*innen erleben eine zunehmende Häufigkeit, Dauer und Intensität der Schmerzattacken, andere sind nur von einer einzelnen Schmerzepisode im Leben betroffen.
Diagnosesicherung
Die Diagnose einer Trigeminusneuralgie ist wegen der typischen Beschwerden meist recht leicht zu stellen. Um festzustellen, welche der 3 Erkrankungsformen vorliegt, ist eine MRT-Untersuchung erforderlich. Hierbei werden die Ursachen einer sekundären Trigeminusneuralgie, z. B. eine Multiple Sklerose oder ein Tumor abgeklärt. Auch die Kompression der Nervenwurzel bei der klassischen Trigeminusneuralgie kann im MRT sichtbar gemacht werden.
Empfehlenswert ist auch eine Vorstellung in der Zahnarztpraxis, um auszuschließen, dass die Schmerzen von den Zähnen ausgehen.
Sind die Schmerzen weniger typisch, sind weitere Untersuchungen notwendig, um andere Schmerzursachen auszuschließen, z. B. eine Erkrankung der Kaumuskeln oder des Kiefergelenks.
Differenzialdiagnosen. Eine beginnende Zahnhöhlenentzündung (Pulpitis) oder bestimmte Arten der Zahnfraktur können sich ähnlich wie bei der Trigeminusneuralgie als blitzartig einschießende Schmerzen äußern.
Mitunter ruft eine Zahnarztbehandlung, z. B. durch eine Wurzelbehandlung, eine Trigeminusneuropathie hervor. Hierbei werden die Nervenfasern des Trigeminusnervs direkt beschädigt. Der Schmerzcharakter unterscheidet sich aber von der Trigeminusneuralgie. Es besteht meist ein brennender oder nadelstichartiger Dauerschmerz. Zusätzliche blitzartige Schmerzattacken sind möglich, fehlen aber meist. Zudem kommt es zu Sensibilitätsstörungen in dem Gesichtsbereich, der von den betroffenen Nervenfasern versorgt wird.
Manchmal wird die Trigeminusneuralgie mit dem anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz verwechselt. Hier sind die Schmerzen jedoch eher diffus dumpf oder bohrend und nie einschießend.
Auch bestimmte Arten von Kopfschmerzen können sich primär im Gesicht äußern, z. B. die Migräne.
Nicht zuletzt kommen die Kiefergelenke oder Kaumuskeln als Entstehungsort der Schmerzen infrage, z. B. bei der kraniomandibulären Dysfunktion.
Behandlung
Die üblichen Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol helfen bei der Trigeminusneuralgie leider nicht. Besser wirksam sind Medikamente, die normalerweise bei Epilepsie verordnet werden, allem voran Carbamazepin. Auch Phenytoin wird häufig eingesetzt. Helfen diese nicht ausreichend, stehen noch viele weitere Medikamente zur Verfügung, die in Deutschland aber nicht für die Behandlung einer Trigeminusneuralgie zugelassen sind. Deshalb werden sie nicht gleich zu Beginn der Erkrankung verordnet. Lässt die Wirkung von Carbamazepin oder Phenytoin im Laufe der Zeit nach oder treten starke Nebenwirkungen auf, sollte man diese Medikamente aber ausprobieren. Auch eine kombinierte Behandlung aus 2 verschiedenen Medikamenten ist möglich.
Die Medikamente werden zunächst täglich gegeben. Nach einigen Monaten Beschwerdefreiheit kann versucht werden, sie stufenweise wieder abzusetzen.
Bei einer sekundären Trigeminusneuralgie wird zudem die Grunderkrankung behandelt.
Ist nach mehreren medikamentösen Behandlungsversuchen keines der Arzneimittel ausreichend wirksam oder sind die Nebenwirkungen auf Dauer intolerabel, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Mögliche Verfahren sind zum Beispiel
- eine mikrochirurgische Trennung von Nerv und Gefäß
- eine Schädigung der überempfindlichen Trigeminusfasern durch die Haut, sodass die Schmerzreize nicht mehr ins Gehirn geleitet werden
- eine strahlenchirurgische Behandlung (Gamma-Knife)
- neuere Operationsverfahren, bei denen Nervenfasern durch Elektroden stimuliert werden und somit die Schmerzübertragung gehemmt wird.
Akupunktur. Ob Akupunktur hilft, ist nicht sicher bewiesen. Es gibt einige kleine Studien, die belegen, dass die Akupunktur eine wirksame und sichere Behandlungsoption sein kann. Hochwertige Studien, die diese Ergebnisse bestätigen, stehen jedoch aus. Die Berliner Charité führt aktuell eine kontrollierte Studie zur Akupunktur als Zusatzbehandlung zur Routineversorgung durch.
Prognose
Die Aussichten bei Trigeminusneuralgie sind sehr unterschiedlich. Manche Patient*innen erleben nur eine Schmerzepisode im Leben. Andere sind für Wochen, Monate oder Jahre schmerzfrei, bis erneute Episoden auftreten. Die meisten Betroffenen benötigen jedoch eine Langzeitbehandlung, weil die Erkrankung fortbesteht und die Intensität und Frequenz der Schmerzepisoden mal zu und mal abnimmt.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Schmerztagebuch. Sinnvoll ist ein Tagebuch, in dem Häufigkeit, Dauer und Intensität der Schmerzen erfasst werden. Auch notiert werden weitere Auffälligkeiten wie Empfindungsstörungen zwischen den Attacken oder erkennbare Schmerzauslöser. Das kann helfen, den Therapieerfolg zu beurteilen, die Alltagseinschränkungen einzuschätzen und die Erkrankung langfristig besser zu managen. Außerdem kann es im Fall eines Antrags auf Schwerbehinderung dem Gutachter helfen, den Grad der Behinderung einzuschätzen.
Multimodale Schmerztherapie. Neben der medikamentösen Behandlung können auch andere Verfahren zur Angstreduktion und Schmerzbewältigung beitragen. Geeignet sind die Physiotherapie, bestimmte Formen der Psychotherapie wie die kognitive Verhaltenstherapie sowie eine umfassende Patientenaufklärung. Lassen Sie sich von Ihrer behandelnden Arztpraxis beraten.
Zahnextraktion. Patient*innen glauben manchmal irrtümlich, eine Trigeminusneuralgie sei auf einen „kranken Zahn“ zurückzuführen und lasse sich deshalb durch eine Zahnextraktion behandeln. Zuweilen werden sie auch durch Angehörige dazu gedrängt, nichts unversucht zu lassen, und sich deshalb vorsorglich einen möglicherweise kranken Zahn ziehen zu lassen. Eine zahnärztliche Untersuchung ist zwar ratsam, um eine tatsächlich bestehende Zahnerkrankung auszuschließen. Jedoch wird von Zahnextraktionen auf Verdacht und zur „Ausschlussdiagnostik“ ohne eindeutigen Krankheitsbefund nachdrücklich abgeraten.
Weiterführende Informationen
Neurologen im Netz - Trigeminusneuralgie
Internetseite der deutschen Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie mit Informationen zu neurologischen und psychischen Erkrankungen, Arzt-/Kliniksuche, Selbsthilfe und Rechtsfragen für Patient*innen und Angehörige
Quellen:
- AWMF (2023) Diagnose und Therapie der Trigemniusneuralgie. S1-Leitlinie von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), Reg. Nr. 030/016, Langfassung. Abzurufen unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-016
- Amboss (2025) Trigeminusneuralgie. Webartikel zur Klinischen Praxis. Abgerufen am 12.03.2025 unter https://next.amboss.com/de/article/ii0Jrf?q=trigeminusneuralgie
- UpToDate (2025) Trigeminal neuralgia_._ Webartikel zur Klinischen Praxis. Abgerufen am 12.03.2025 unter https://www.uptodate.com/contents/trigeminal-neuralgia
Bei nächtlichem Wachliegen und Grübeln können bestimmte kognitive Techniken helfen, wieder einzuschlafen.
So findet man zu gutem Schlaf
Wenn die Nacht zur Qual wird
Schlafprobleme – wer kennt das nicht? Kommen sie nur sporadisch vor, kann man das ganz gut verkraften. Doch was tun, wenn man wochenlang nicht zügig ein- oder durchschläft oder schon vor dem Morgengrauen erwacht? Neben der Schlafhygiene sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Stimuluskontrolle oder der Gedankenstuhl effektiv. Kurzzeitig können auch Medikamente helfen.
Viel zu viele schlafen schlecht
Gelegentlich schlecht zu schlafen ist ganz normal. Ob Stress durch Prüfungen oder private Probleme, wechselnde Lebensumstände oder ungünstige Schlafumgebung – solche Faktoren können dazu führen, dass man schlechter einschläft, nachts häufiger aufwacht und sich morgens wie gerädert fühlt. Vorübergehenden Schlafprobleme sind aber in der Regel harmlos. Und weit verbreitet: In einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts leiden etwa 30% der Erwachsenen mehr als drei Mal pro Woche an Ein- und/oder Durchschlafstörungen.
Von einer krankhaften Schlafstörung (medizinisch Insomnie genannt) spricht man, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder zu frühes morgendliches Erwachen an mindestens drei Nächten pro Woche über mindestens einen Monat (oder drei Monate, je nach Definition).
- Die Betroffene schläft zu wenig, obwohl ausreichend Gelegenheit für Schlaf besteht.
- Der fehlende Schlaf beruht nicht auf einer begleitenden Erkrankung, der Einnahme von Medikamenten oder dem Konsum von Drogen.
Auch die Insomnie ist in Deutschland nicht selten. Immerhin sollen 6% der Erwachsenen darunter leiden, das sind ungefähr 4,2 Millionen Menschen.
Schlafmangel und Schlafstörungen beeinflussen nicht nur die Lebensqualität. Sie können erhebliche Folgen für die Gesundheit haben. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass ein Zusammenhang mit Übergewicht, Diabetes, Depressionen, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlaganfall besteht. Zudem gibt es Hinweise, dass zu wenig Schlaf mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden ist.
Hinweis: Frauen leiden häufiger unter Schlafstörungen als Männer. Das liegt unter anderem an biologischen Unterschieden. Der Schlaf von Frauen ist störanfälliger, d.h. sie wachen durch äußere Reize leichter auf. Zudem sind sie stärker von hormonellen Schwankungen betroffen.
Auf der Suche nach möglichen Ursachen
Schlafstörungen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener äußerer und innerer Faktoren. Fachleute gehen davon aus, dass es eine genetische Veranlagung gibt. Leiden direkte Verwandte an einer Insomnie, steigt die eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit um 40%.
Die angeborene Anfälligkeit verändert neurobiologische Prozesse. So sind z. B. gleichzeitig wach- und schlaffördernde Bereiche im Gehirn aktiv. Verschiedene Faktoren beeinflussen diese Vorgänge zusätzlich. Dazu gehören einerseits stressige Ereignisse, aber auch ein erhöhtes Alter und Begleiterkrankungen.
Die veränderten neurobiologischen Prozesse werden dann durch Grübeln, vermehrte Sorge um den Schlaf und die fehlende Erholung weiter verstärkt. Es kommt zu einem Teufelskreis, in dem sich die Schlafstörung selbstständig macht und im schlimmsten Fall zur krankhaften Insomnie wird.
Wichtige Auslöser für Schlafstörungen sind zudem psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Demenz. Manche Schlafstörungen haben auch eine körperliche Ursache. Sie werden organisch bedingte Schlafstörungen genannt und kommen z. B. beim Restless-Legs-Syndrom und beim Schlaf-Apnoe-Syndrom vor. Zudem stören viele chronische Erkrankungen den Schlaf, so z. B. Krebserkrankungen, chronische Herz- oder Nierenerkrankungen und die Multiple Sklerose.
Hinweis: Ein Risikofaktor für Schlafstörungen ist das Alter. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schlafkontrollsysteme im Gehirn dann weniger gut funktionieren. Zusätzlich spielen auch die im Alter häufigeren Begleiterkrankungen eine Rolle.
Vom Schlaftagebuch bis zum Schlaflabor
Bei ausgeprägten Schlafstörungen sollten Betroffene immer in die Arztpraxis gehen. Dies ist wichtig, um mögliche Ursachen aufzuspüren, schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen und eine gezielte Behandlung einzuleiten.
Basis der Untersuchung ist die Anamnese, also die Erhebung der Krankengeschichte. Die Ärzt*in fragt nach Art und Ausmaß der Schlafprobleme und ob der Schlafmangel die Tagesaktivität beeinträchtigt. Entscheidend ist dabei das subjektive Befinden der Betroffenen.
Empfehlenswert ist ein Schlaftagebuch, in dem morgens und abends kurze Protokolle zum Schlaf und zum Tag notiert werden. Es sollte über 7 bis 14 Tage hinweg geführt werden. Oft verwendet die Ärzt*in auch Fragebogentests, um den Schweregrad der Schlafstörung zu erfassen. Ein häufig eingesetztes Tool ist die Regensburg Insomnia Scale, die mithilfe von 10 Fragen emotionale und verhaltensbezogene Beschwerden wie Grübeln, Schlafangst und beeinträchtigte Tagesform erfasst.
Technische Untersuchungen sind bei der Diagnose einer Insomnie nur selten erforderlich. Die Messung der Aktivitäts- und Ruhephasen mittels Bewegungsmessern (Aktigraphie) kann Schlafenszeiten über längere Zeiträume erfassen, gilt aber als ungenauer als die Polysomnographie (siehe unten). Inzwischen ist auch bei vielen Smartwatches ein Bewegungsmesser integriert. Ein Nutzen für die Diagnose und die Verlaufsbeobachtung von Schlafstörungen ist für diese Applikationen ebenfalls nicht hinreichend belegt.
Anders sieht das mit der Polysomnographie im Schlaflabor aus. Diese aufwändige Methode ermöglicht es, Insomnien gut darzustellen, aber vor allem auch begleitende oder verursachende Störungen zu identifizieren. Eingesetzt wird das Verfahren, wenn sich eine Insomnie trotz Behandlung nicht bessert oder z. B. der Verdacht auf eine Schlafapnoe oder ein Restless-Legs-Syndrom besteht.
Bei der Diagnostik von Schlafstörungen müssen immer die Erkrankungen ausgeschlossen werden, die eine Insomnie auslösen oder verstärken können. Je nach Verdacht kommen dann Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren, EKG, EEG oder andere Methoden zum Einsatz.
Ganz wichtig ist auch die Frage nach Medikamenten, Alkohol- oder Drogenkonsum. Denn es gibt eine Vielzahl von Substanzen, die den Schlaf stören können. Dazu gehören neben Alkohol, stimulierenden Genussmitteln und illegalen Drogen (Koffein, Amphetamin) u.a. vor allem folgende Arzneimittel:
- Antidementiva wie Piracetam
- antriebssteigernde Antidepressiva wie manche SSRI
- Blutdruckmedikamente und Diuretika (harntreibende Medikamente)
- Asthmamedikamente wie Beta-Sympathomimetika
- Hormonpräparate, insbesondere Kortison und Thyroxin
Die Basis für einen guten Schlaf
Viele Regeln für einen guten Schlaf liegen auf der Hand. Die Leitlinien empfehlen, nach dem Mittagessen keine koffeinhaltigen Getränke zu konsumieren und auf Alkohol zu verzichten. Vor dem Zu-Bett-Gehen zu vermeiden sind
schwere Mahlzeiten
geistig und körperlich aktivierende Tätigkeiten wie aufregende Filme, schwierige Lektüre oder anstrengender Sport sowie
helles, aktivierendes Licht.
Hilfreich sind dagegen ein persönliches Einschlafritual und ein ruhiges, kühles und dunkles Schlafzimmer. Ganz wichtig: nachts nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen. Der Blick auf die Uhr löst oft Gedanken wie „Noch so wenig Zeit zum Schlafen“ aus und verstärkt dadurch den inneren Druck.
Wenn die genannten Basismaßnahmen den Schlaf nicht verbessern, empfehlen Expert*innen zunächst Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Dazu gehören neben Verfahren zur Entspannung die Stimuluskontrolle, die Schlafrestriktion und kognitive Techniken.
Zu den häufig eingesetzten Entspannungsmethoden gehören die progressive Muskelrelaxation, Phantasiereisen und Achtsamkeitsübungen. Sie alle können dabei helfen, den Schlaf anzustoßen.
Die sogenannten Stimuluskontrolle beruht darauf, dass sich viele Patient*innen im Verlauf ihrer Schlafprobleme selbst klassisch konditioniert haben. Das bedeutet, dass ihr Unterbewusstsein die Schlafumgebung automatisch mit dem Wachsein verknüpft. Ziel der Stimuluskontrolle ist, diese Verknüpfung wieder zu löschen, indem so wenig Zeit wie möglich wach im Bett verbracht wird. Die Instruktionen lauten folgendermaßen:
- Nur zu Bett gehen, wenn man müde ist.
- Das Bett nur zum Schlafen und für Sex benutzen. Nicht darin Lesen, Trinken, Rauchen oder Fernsehen.
- Ist man nach 15 Minuten nicht eingeschlafen, wieder aufstehen und einer angenehmen Tätigkeit nachgehen. Dann erst wieder ins Bett, wenn man müde ist. Kann man immer noch nicht einschlafen, den Vorgang wiederholen.
- Jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen.
- Tagsüber nicht hinlegen.
Auch die Bettzeitrestriktion kann den Schlaf verbessern. Die Idee dabei ist, durch den verkürzten Schlaf und die verlängerte Tagesaktivität den Schlafdruck zu erhöhen. Dadurch soll der Anteil des Tiefschlafs steigen und das Ein- und Durchschlafen verbessert werden. Ist dies gelungen, kann die Schlafenszeit wieder ausgedehnt werden. Für die Bettzeitrestriktion wird zunächst mittels Tagebuch über sieben Tage hinweg die durchschnittliche Schlafdauer ermittelt. Diese legt man anschließend für eine Woche als Bettzeit fest (allerdings nie weniger als 4,5 h). Je nachdem, wie sich dadurch die Schlafdauer verändert, wird die Bettzeit entsprechend angepasst.
Mittels Verhaltenstherapie können Betroffene auch kognitive Techniken zur Verbesserung des Schlafs erlernen. Diese zielen insbesondere auf das Grübeln ab. Eine Methode ist der Gedankenstuhl. Dabei setzt man sich einige Zeit vor dem Zubettgehen für 15 bis 20 Minuten auf einen Stuhl, um bewusst und zielorientiert über Probleme und Sorgen nachzudenken. Steht man danach auf, sollten die Gedanken auf dem Stuhl zurückbleiben und nicht mit ins Bett genommen werden. Eine andere Technik ist das Hinterfragen nutzloser Überzeugungen im sokratischen Dialog, also anhand kritischer Fragen. Manche Therapeut*innen empfehlen auch die „paradoxe Intention“. Nach dieser Methode der Psychotherapie soll man das, wovor man Angst hat, übertreiben. Das hilft oft, entspannter zu werden. Die Betroffenen sollen demnach im Bett so lange wie möglich wach bleiben, damit sich der Schlaf leichter einstellt.
Tipp: Apps oder bestimmte Musik können beim Einschlafen helfen. So z. B. das achtstündige, vom Komponisten Max Richter und Neurowissenschaftlern entwickelte Werk „Sleep“. Manche Menschen bevorzugen Apps mit Naturgeräuschen oder Herzschlag, um das Einschlafen zu fördern.
Wann kommen Medikamente ins Spiel? Reichen die genannten Maßnahmen nicht aus, gibt es gegen die Schlafstörungen auch Medikamente. Sie alle dürfen nur nach ärztlicher Verordnung und unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden, da Nebenwirkungen, Abhängigkeit und Rebound-Phänomene drohen. Letzteres bedeutet, dass nach dem Absetzen der Schlafmittel die ursprünglichen Schlafstörungen verstärkt zurückkehren.
Benzodiazepine sind für die Kurzzeittherapie (unter vier Wochen!) geeignet. Als Nebenwirkungen drohen Benommenheit, Sturzgefahr, Gedächtnisstörungen und Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, außerdem können sie den Atemantrieb dämpfen. Die Risiken sind insbesondere bei älteren Menschen erhöht. Weil Benzodiazepine schnell abhängig machen, darf man sie nur kurzzeitig einnehmen.
Z-Substanzen wie Zolpidem oder Zopiclon binden wie Benzodiazepine an den Benzodiazepinrezeptor im Gehirn und wirken daher ähnlich. Sie sind schnell wirksam, dürfen aber ebenfalls nur maximal vier Wochen eingesetzt werden. Bei ihnen kommt es zu ähnlichen Nebenwirkungen wie bei den Benzodiazepinen, zusätzlich sind Geschmacksstörungen und Schlafwandeln möglich. Von einer Langzeittherapie mit Z-Substanzen raten die Leitlinien ebenfalls ab.
Auch sedierende Antidepressiva werden häufig gegen Schlafstörungen verordnet. Ob die gegen Depressionen zugelassenen Medikamente auch bei Insomnie helfen, ist allerdings noch nicht sicher nachgewiesen. Doxepin und Trazodon scheinen zu helfen, haben aber Nebenwirkungen. Typisch sind Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Tagesmüdigkeit und, vor allem bei Älteren, Verwirrtheit. Für die Langzeitbehandlung werden sie nicht empfohlen, es sei denn, die Schlafstörungen stehen im Zusammenhang mit einer behandlungsbedürftigen Depression.
Melatonin ist für die Kurzzeitbehandlung bei Patient*innen über 55 Jahren zugelassen. Die stärksten Effekte zeigen sich auf die Einschlaflatenz, d.h. auf die Dauer bis zum Einschlafen. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Aufgrund noch fehlender Daten wird Melatonin von vielen Expert*innen nicht für die Langzeitbehandlung empfohlen. Melatoninhaltige Präparate sollten ausschließlich in der Apotheke und nicht im Internet erworben werden. Nur so ist gewährleistet, dass die Produkte kontrolliert und geprüft sind und kein Gesundheitsrisiko darstellen.
Orexin-Rezeptor-Antagonisten sind neu auf dem Markt, der erste Vertreter wurde 2022 in Deutschland zugelassen. Sie fördern den Schlaf und verringern die subjektiv empfundene Tagesschläfrigkeit. Unklar ist, wie sie auf Ein- und Durchschlafprobleme wirken. Sie sollen langfristig verträglich sein, als Nebenwirkung wird u.a. Kopfschmerzen genannt. Angesichts der noch fehlenden Langzeitdaten sind die Leitlinien zurückhaltend mit ihrer Empfehlung.
Vor allem bei alten Menschen werden zur Behandlung von Schlafstörungen auch Antipsychotika wie Melperon und Pipamperon angewendet. Gute Studien liegen jedoch nicht vor, weshalb davon eher abgeraten wird. Ähnlich sieht es aus mit sedierenden, oft rezeptfrei erhältlichen Antihistaminika (Diphenhydramin, Doxylamin). Aufgrund der geringen Effektivität und der schnellen Toleranzentwicklung sieht die Leitlinie auch für sie keinen generellen Platz in der Insomniebehandlung.
Pflanzliches, Bewegung und Licht
Auch aus dem Bereich der Pflanzenmedizin stammen einige Präparate, die gegen Schlafstörungen helfen sollen. Laut derzeitiger Datenlage ist die Wirkung allerdings nicht klar belegt. Einige Studien zu Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse zeigen zwar zum Teil positive Effekte bei leichten bis mittleren Schlafstörungen. Die Qualität der meisten Untersuchungen und damit ihre Aussagekraft ist allerdings gering.
Die aktuelle deutsche Leitlinie zur Behandlung der Insomnie rät deshalb von pflanzlichen Präparaten ab. Etwas anders sieht das die European Medicines Agency EMA: Sie bewertet Baldrian als „bewährt“ und Passionsblume als „traditionell“. Dies anerkennt die jahrzehntelange sichere Anwendung, bedeutet aber ebenfalls nicht, dass eine fundierte wissenschaftliche Wirkung nachgewiesen ist.
Effektiver als die Pflanzenmedizin scheinen laut Expert*innen drei weitere nichtmedizinische Methoden zu sein:
- Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Schlafqualität, weil sie den Schlaf-Wach-Rhythmus stärkt, Stress abbaut und die Produktion schlaffördernder Hormone wie Melatonin unterstützt. Intensiv bewegen sollte man sich aber nur bis 4 bis 8 Stunden vor dem Schlafengehen, da sich sonst das Einschlafen verzögern kann.
- Lichttherapie: Sie hilft bei Schlafstörungen, indem sie die innere Uhr (den zirkadianen Rhythmus) steuert und so das Einschlafen und Aufwachen reguliert. Dabei wird der Körper morgens durch helles künstliches Licht angeregt, die Melatoninproduktion zu kontrollieren. Die Methode wirkt besonders unterstützend bei Jetlag, Schichtarbeit und saisonalen Schlafproblemen.
- Künstlerische Therapien: Musiktherapie, therapeutisches Malen oder Tanztherapie fördern die Entspannung, vermindern Stress und emotionale Spannungen und können dadurch indirekt das Einschlafen erleichtern. Sie werden deshalb oft ergänzend zu anderen Behandlungen empfohlen.
Hinweis: Methoden gegen Schlafstörungen gibt es unzählige. Viele der angebotenen Optionen sind jedoch nicht effektiv. Abgeraten wird in den aktuellen Leitlinien z. B. davon, Insomnien mit Aromatherapie, Akupunktur, Fußreflexzonenmassage oder Homöopathie zu behandeln.
Quellen: Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ - Update 2025, (AWMF-Registernummer 063-003), Version 2.0,

